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/// Im Oktober 2016 wurde im Außenbereich des Hauses eine Informationstafel angebracht, die über die nationalsozialistische Vergangenheit der Einrichtung informiert.

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/// Der Schein der Idylle trügt
Die Geschichte des Hauses Kronenburg

Volkmar Essers


Eine tiefgreifende Veränderung erfuhr das Bauerndorf Kronenburg, als sich in den 1930er Jahren der Maler Werner Peiner (1897-1984) in dem Ort niederließ. Er entwickelte den ehrgeizigen Plan einer Landakademie, die unter höchster politischer Protektion zur „Hermann-Göring-Meisterschule“ wurde. Als diese ehemalige Meisterschule 1985 in die Denkmalbereichssatzung aufgenommen wurde, waren drei Gründe ausschlaggebend: die städtebauliche Bedeutung, die interessante Architektur von Emil Fahrenkamp (1885-1966) und die Einmaligkeit in Form und Anlage der Malerschule von Werner Peiner.


Peiner, dessen Eltern aus der Eifel stammten, schrieb sich 1919 als Student an der Düsseldorfer Kunstakademie ein. Zu der Zeit hatte der Werkstättengedanke, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf alle Akademien übergriff, auch Düsseldorf erreicht. Als Peiner 1923 die Akademie verließ, bildete das handwerklich-künstlerische Spektrum der Werkstätten die Grundlage für seine späteren Arbeiten. Bei seinen Ausflugsfahrten durch die Eifel besuchte Werner Peiner regelmäßig Kronenburg. 1932 mietete er ein Bauernhaus, Burgbering 12, um ständig dort zu leben. Er behielt diesen Wohnsitz bei, als er im Oktober 1933 die Professur für Monumentalmalerei an der Düsseldorfer Kunstakademie annahm. Diese Professur war ihm angetragen worden, nachdem im März 1933 die Hakenkreuzfahne auf dem Akademiegebäude gehisst worden war und die Entlassung von Künstlern wie Ewald Mataré, Oskar Moll, Heinrich Campendonk und Paul Klee folgten. Dass Peiner, der 1937 in die NSDAP eintrat, von der „Säuberungsaktion“ profitierte, war ihm bekannt. In seinen Lebenserinnerungen schreibt er, dass er die Professur von Klee übernommen habe, obwohl es wohl eher Campendonks Lehrstuhl für Wandmalerei, Glasmalerei, Mosaik und Gobelinweberei gewesen sei.

Auf Anweisung Hermann Görings schloss die Polizei im April das Bauhaus, das seinen Standort von Weimar nach Dessau und schließlich nach Berlin verlagerte, als „Brutstätte des Kulturbolschewismus“. Eine experimentelle Moderne war unerwünscht. Peiners traditionsverbundene Orientierung passte besser zum Kulturverständnis der Nationalsozialisten. In den Ferien nahm er einige seiner Studenten mit nach Kronenburg, um ihnen das Interesse an der bäuerlichen Lebenswelt zu vermitteln. Peiner malte 1933 das Bild „Deutsche Erde“, das er als Geschenk für Adolf Hitler zur Verfügung stellte.


Nachdem Peiner 1935 sein Wohnhaus, ein Nachbarhaus und 1936 noch ein weiteres gekauft hatte, verfolgte er den Plan zur Gründung einer Landakademie, die er in den umgebauten Häusern unterbringen wollte. Von der Dezentralisierung versprach er sich eine effektivere Arbeit mit den Studenten. Durch Vermittlung seines Freundes Walter Kruspig, der Generaldirektor der Shell-Gruppe in Deutschland war und ein Ferienhaus in Kronenburg besaß, gewann er in dem preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring einen Fürsprecher gegenüber dem Kultusministerium. Mit Studierenden seiner Klasse für Monumentalmalerei durfte Peiner dann ab dem Frühjahr 1936 probeweise für ein Jahr die „Landakademie Kronenburg der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf“ betreiben.


Während im Jahre 1937 die Diffamierung moderner Kunst in der Aktion der Beschlagnahmung „Entartete Kunst“ einen spektakulären Höhepunkt erreichte, fasste Göring bei einem Besuch in Kronenburg am 9. Mai den Beschluss, eine von der Akademie unabhängige und ihm unmittelbar unterstellte Schule zu gründen. Der erste Bauabschnitt wurde am 8. Juni 1938 von ihm in Anwesenheit hochrangiger Vertreter von Partei und Regierung eingeweiht. Die weitläufige Gebäudegruppe bezog das seit 1930 als Jugendherberge dienende alte Schulgebäude mit ein: einen zweigeschossigen Bruchsteinbau auf hohem Sockel mit einem Walmdach aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Zugang durch den Hof mit Brunnen erweckt eine klösterlich beschauliche Atmosphäre. Mit dem Neubau der Schule beauftragte Göring per Erlass vom 5. Juli 1937 den Architekten Emil Fahrenkamp, einen Freund und Nachbarn Peiners in Kronenburg, der im Juli 1937 auch zum Direktor der Düsseldorfer Akademie berufen wurde.

In der zweiten Bauphase erfolgte schließlich eine enorme Verschiebung der Proportionen. Der Maßstab aller neu hinzugefügten Bauteile wurde vergrößert, sowohl für den weiteren Innenhof mit Brunnen und überdachten Säulengängen als auch für das zweigeschossige Hauptateliergebäude. An der 25 Meter langen und 8 Meter hohen Atelierwand konnte Peiner die großformatigen Kartons für die geplanten Gobelins der „Neuen Reichskanzlei“ fertigen. Zur Straße hin ist ein zweigeschossiger Bau unter einem Pultdach vorgelagert. Seine Mitte akzentuiert ein zeltdachgedeckter Turm. Durch die Höhenstaffelungen und durch die Teile in Fachwerkausführung soll die den dörflichen Kontext störende Monumentalisierung des Baus gemildert werden, während in unabgeschwächtem Gegensatz zu der sich wehrhaft zusammenschließenden Enge des Ortes die raumgreifende Weitläufigkeit der Meisterschule steht. In einem letzten Abschnitt erhielt sie im September 1939 einen Luftschutzraum.

Die Gestaltung der „Hermann-Göring-Meisterschule“ steht dem „Heimatstil“ der Gemeinschaftshäuser des Amts „Schönheit der Arbeit“ nicht fern. Die Gestaltungslösung ist nicht unmittelbar aus regionalen Bautraditionalen der Eifel herzuleiten, sondern kombiniert landschaftsübergreifend Elemente, die mit der Anmutung von Erdverbundenheit und Geborgenheit verknüpft sind. Vorbildhaft ist auch der englische Landhausstil. Die Ausführung des großen Ateliers in Fachwerk und unter einem Satteldach ist in dieser Größenordnung ungewöhnlich. Die Betonung des Handwerklichen in Bruchsteinmauern und Fachwerk, in Werksteingewänden und schmiedeeisernen Gittern ist jedoch programmatisch zu verstehen.


Das Handwerkliche spielte auch bei Peiners Lehre der Malerei die zentrale Rolle. Die Studierenden erhielten eine am Vorbild der Handwerkerausbildung orientierte Schulung als Lehrlinge, Gesellen und Meisterschüler mit abschließender Meisterprüfung. Der Lehrplan umfasste alle Gebiete der Malerei: Bildteppich, Fresko, Mosaik und Glasfenster. Neben dem Studium altmeisterlicher Maltechniken, der Kompositionslehre und der Anatomie wurde der kunstgeschichtliche Unterricht zur deutschen, niederländischen und italienischen Renaissance erteilt. Aber alle diese Studien hatten letztendlich den eher einseitigen Zweck, zur Mitarbeit an den Staatsaufträgen Peiners zu befähigen. Innerhalb der Studienzeit von mindestens drei Jahren konnten sich die Schüler der Prägung durch Peiner nicht entziehen. Seine Kunst wurde zum alleinigen Maßstab. Einen Austausch mit anderen Kunstakademien gab es nicht. Mit der Moderne kamen die Schüler nicht in Berührung; sie wurde tabuisiert.

Lehrer und Schüler bildeten im Haus Kronenburg eine abgeschlossene Gemeinschaft, die der christlichen Symbolik von zwölf Schülern und einem Meister entsprach. Nicht christlich waren der „Treueschwur auf Führer und Reich“ und die Bestimmung, dass die Schüler arischer Abstammung sein mussten. Der „Hermann-Göring-Meisterschule“ lag ein von Peiner verfasstes und von Göring unterzeichnetes Statut zugrunde, das „Geistige Gesetz der Hermann-Göring-Meisterschule“, das dazu dienen sollte, der Schule „einen sittlichen Halt zu geben“ und „der Gemeinschaft eine ordensmäßige Bindung zu verleihen“. Gemäß diesem Statut war Göring der Schirmherr der Schule, als deren Leiter Peiner den Titel eines Direktors und führenden Meisters trug. Entsprechend lautete per Erlass durch Göring vom 4. Mai 1943 der veränderte Name „Meisterschule der Malerei Werner Peiner unter der Schirmherrschaft des Reichsmarschalls Hermann Göring“.


Als Folge der Gründung der „Hermann-Göring-Meisterschule“ wurde der ganze Ort Kronenburg einer durchgreifenden Erneuerung unterzogen. Die Straße nach Kronenburg wurde verbreitert und mit Teerkies belegt. Für die Verbreiterung der Straße waren Hausabbrüche und Stützmauern notwendig, andere Häuser wurden umgebaut und hergerichtet. Alle Drähte für Telefon und elektrisches Licht wurden in die Erde gelegt, damit das Drahtgewirr nicht das Ortsbild störe. Eine Kanalisation wurde angelegt, Kronenburg bekam ein neues Pflaster. Der Burghof wurde geebnet. Die Mistplätze wurden eingefriedet. Alle Häuser bekamen einen Anstrich. Für die Dorfverschönerungsaktion von 1937 fertigte der Dorfschmied Köller viele einheitlich gestaltete Hauslaternen. Die Ausgestaltung des Ortes wurde in Absprache mit dem Architekten Emil Fahrenkamp vorgenommen. Binnen weniger Jahre wurde aus dem verschlafenen Nest ein etwas künstlich wirkender Vorzeigeort.


Werner Peiner verließ Kronenburg im Herbst 1944 vor der heranrückenden Front. Nach dem Krieg wurde ihm die Rückkehr ins Dorf verwehrt. Als er nach 1945 versuchte, in Leichlingen eine neue Meisterschule aufzubauen, wurde das Vorhaben von im Rheinland ansässigen Malern wie Georg Meistermann, Mitgliedern der „Rheinischen Sezession“, der „Westfälischen Sezession“ und der „Bergischen Kunstgenossenschaft“ verhindert. Am 19.8.1984 starb er auf seinem Alterssitz Haus Vorst bei Leichlingen im Bergischen Kreis. Heinrich Campendonk, der 1934 aus Furcht vor den zu erwartenden Repressalien der Nationalsozialisten Deutschland verlassen hatte, regte 1948 an, die ehemalige „Hermann-Göring-Meisterschule“ wieder als Dependance der Staatlichen Akademie Düsseldorf zu nutzen. Das Land Nordrhein-Westfalen griff seinen Vorschlag auf und versuchte ihn als Leiter zu gewinnen, bis er 1951 endgültig ablehnte.

Die Gebäude, die als Zeugnis für die Geschehnisse der 30er Jahre dem Besucher von Kronenburg ins Auge fallen, werden seit 1952 als Bildungsstätte des Landes Nordrhein-Westfalen genutzt.


m. frdl. Genehmigung von Dr. Volkmar Essers, ehem. Kustos bei der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf.

Literatur: Anja Hesse: Malerei des Nationalsozialismus: Der Maler Werner Peiner, Georg Olms AG. Hildesheim 1995.

Christoph Heuter, Emil Fahrenkamp: Das Landidyll Kronenburg und die Konflikte der Moderne, in: Denkmalpflege im Rheinland, 13.Jg. Nr.3, 1996, S. 126-134. Geschichte